„Furcht ist der Name des Gegners – des einzigen Gegners!“
Welche Schule kann schon von sich behaupten, über eine eigene Fallschirmspringer-Einheit zu verfügen!? Nun ja, eine sicherlich nicht ganz ernst gemeinte Tatsache, aber der Reihe nach:
Viele verrückte Ideen werden bekannntlich aus einer Feierlaune heraus geboren. So auch diese: Auf der Lehrer-Weihnachstfeier 2022 wurde auf einmal der Vorschlag in den Raum geworfen, als eine Art Teambildungsmaßnahme (oder doch eher Mutprobe?) für das Lehrerkollegium gemeinsam zum Fallschirmspringen zu gehen. Während die meisten Kollegen bereits am Festtisch dankend abwinkten, sprangen ein paar wenige - noch eher zögerlich - auf diese Idee an. Für Mitte Mai 2023 hatte der Plan konkrete Formen angenommen: Vier Kollegen samt Familienmitgliedern und Freunden meldeten sich zum gemeinsamen Tandemsprung aus 4300 Meter Höhe aus dem Flugzeug an. Absprungort: Klatovy - Etwa 40 Kilometer südlich von Pilsen und ca. eine halbe Autostunde hinter der bayerisch-böhmischen Grenze: Das Eldorado für Fallschirmspringer schlechthin! Aber trotz strahlenden Sonnenscheins und guter Stimmung ging uns an diesem Tag die Chance auf ein Erlebnis durch die Lappen: Der starke böhmische Wind machte uns einen Strich durch die Rechnung und so mussten wir - etwas enttäuscht - wieder die Heimreise antreten.
Exakt ein Jahr später, am ersten Tag der Pfingstferien 2024 dann der zweite Versuch! Aber nicht mehr alle aus dem Vorjahr konnten (oder wollten) mitmachen. Zudem schien das Wetter unser Vorhaben zunächst schon wieder vereiteln zu wollen: eisig kalt, regnerisch und ziemlich windig! Den Sprung hatten wir bereits für den Vormittag gebucht. In der Hoffnung auf besseres Wetter warteten wir eine Stunde, dann zwei, drei, vier, … |
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Ohnehin schon in Bange vor dem Sprung aus dem Flugzeug soll vor allem dieses scheinbar endlose Warten für einige Kollegen so zermürbend gewesen sein, dass sie sich in reine Nervenbündel verwandelt haben sollen… |
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Doch dann geht plötzlich alles ganz schnell: Als der Regen aufhört und die Wolkendecke die ersten Lücken bekommt, kommt die Anweisung von unserem Instructor Edi Engl, wir sollen uns sofort bereitmachen. Innerhalb nur weniger Minuten wird uns das Gurtzeug für den sog. Pax (= Gast beim Tandemsprung) angelegt und wir erhalten die notwendigen Instruktionen für den Sprung aus dem Flugzeug, den Freifall und die Landung. |
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Bevor wir uns richtig versehen, werden wir auch schon von unseren drei Tandem-Mastern Edi, Quirin und Karel über das Flugfeld zum Flugzeug geführt, der berühmten Pink Skyvan, einer speziell fürs Fallschirmspringen ausgestatteten Short SC.7 Skyvan mit Heckluke, angepinselt in Tarnfarben und mit großem Grinsemund. Spätestens hier wird einigen von uns bewusst: „Worauf haben wir uns denn da nur eingelassen?“ |
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Mit einem mulmigen Gefühl besteigen wir die Maschine und reihen uns wie die Ölsardinen zusammen mit etwa 15 anderen, internationalen Skydivern in der Passagierkabine dicht an dicht hintereinander. |
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Der Steigflug nach dem Abheben auf 4300 Meter Seehöhe dauert etwa 15 Minuten: Nur eine relativ kleine Zeitspanne, um sich über nicht zu viele Dinge Gedanken zu machen… Beim Blick aus dem Seitenfenster eröffnet sich unter uns ein zuckerwattiges Wolkenmeer - und über uns das strahlend blaue, wilde Jenseits. Ein märchenhafter Anblick! |
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Aber viel Zeit bleibt uns nicht zum träumen! Wir haben die Absprunghöhe erreicht! Unsere Tandem-Master zurren uns an ihrem eigenen Geschirr und damit dem Fallschirm-System selbst fest. Außerdem bekommen wir Schutzbrillen aufgesetzt… Als die Heckluke geöffnet wird, pfeift augenblicklich ein steifer Wind durch die Passagierkabine. Alle Springer wünschen sich gegenseitig Glück. Dann geht es ganz schnell! Seitlich über uns leuchtet ein kleines, unscheinbares, grünes Lämpchen auf, das heißt: Wir befinden uns über der Dropzone! „Exit!“, heißt es nun. Zuerst die Solospringer! Wie selbstverständlich und mit teilweise kleinen akrobatischen Einlagen hüpfen sie durch die Hecköffnung in die Tiefe und verschwinden innerhalb weniger Sekunden scheinbar im Nichts des Wolkenmeeres! Es folgen ein paar Sprungschüler zusammen mit ihren Lehrern. Zuletzt sind die Tandems an der Reihe: In kleinen Schritten wie im Gänsemarsch nähern wir uns der Kante zur offenen Heckluke. Der Wind rauscht uns um die Ohren und man kann kaum ein Wort verstehen. Bei ihrem allerersten Sprung reagieren die meisten Menschen recht merkwürdig: Manche sind wie gelähmt, manche lassen wie in Trance alles einfach über sich ergehen und wieder andere versuchen, ihre eigene Furcht wegzulachen… Der Moment vor dem Absprung ist dann der schlimmste: Der Adrenalin-Spiegel schießt in diesem Augenblick in exorbitante Höhen, so dass man es förmlich auf der Zunge schmecken kann (Anm.: etwas säuerlich)! Der Puls schnellt auf etwa 200 hoch! Plötzlich Zweifel! Doch für einen Rückzieher ist es nun zu spät! Nur zwei Zentimeter vor den eigenen Zehenspitzen geht es über 4000 Meter in die Tiefe, ohne Halt, ohne Aber! |
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Der Tandem-Master erinnert uns an die Haltung, die wir einnehmen sollen: Kopf in den Nacken und Hände ins Gurtzeug! Dann das Kommando: „Ready! Set! Go!“ Man lässt sich einfach leicht nach vorne Fallen und es kitzelt ein wenig im Bauch! Und im nächsten Moment ist man auch schon in der neuen Realität angekommen: Um einen herum befindet sich rein gar nichts mehr! Der Himmel über einem, der Himmel unter einem! Alle Furcht der vergangenen Momente fällt mit einem Schlag ab! Man breitet die Arme aus und stellt fest, dass man selbst fliegen kann! Ein unbeschreibliches Gefühl der Freiheit! Die Luft bläst einem mit unglaublichem Getöse um den Kopf und ins Gesicht aber das macht kaum etwas! Man stürzt mit rund 200 km/h der Erde entgegen, durchbohrt Wolken, durchschneidet die Lüfte - 60 Sekunden lang! |
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Ein paar Impressionen und sicherlich auch ein paar unbezahlbare Gesichtsausdrücke… |
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Unsere Tandem-Master lösen bei etwa 1500 Meter den Hauptschirm aus (sog. Pull). Wir werden aus dem Sturz abgefangen. Aber damit ist der Spaß noch nicht vorbei: In langsamer Gleitschirmfahrt nähern wir uns nun langsam dem Erdboden, genießen die Aussicht und drehen die ein oder andere Pirouette, bei denen wir sogar selbst etwas mitlenken können. |
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Zielsicher steuern wir wieder den Flugplatz Klatovy an, von wo aus wir gestartet sind. Unter uns landet bereits die Pink Skyvan wieder auf der Piste, um den nächsten Load in die Luft zu befördern… Die vielen Leute am Flugplatz sehen aus dieser Höhe wie Ameisen aus! Was für ein Gewusel! |
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Für die Landung heißt dann das Kommando für uns: „Beine hoch!“ Auf dem Popo rutschen wir sanft über das Gras. Sicher gelandet! Schade, dass es bereits vorbei ist! Am liebsten würden wir alle gleich nocheinmal! |
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War das ein Erlebnis! Warum haben wir sowas nicht schon viel früher gemacht!? Noch unter dem Eindruck des Adrenalin-Rausches steht für uns fest: Das war garantiert nicht das letzte Mal! |
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Während sich einige von uns zum Runterkommen schon das ein oder andere Bierchen genehmigen, stellt uns Edi unsere Sprungurkunden aus. Außerdem wird die offizielle Gründung der „1. Fallschirmspringer-Einheit der Maschinenbauschule Landshut“ bekanntgegeben, bei der jeder Mitglied ist, der im Rahmen dieser halbschulischen Veranstaltung aus dem Flugzeug gesprungen ist (natürlich unter Verleihung eines exklusiven Sprung-Abzeichens). Wir bedanken uns bei unseren drei Tandem-Mastern Edi, Quirin und Karel von Tandemfun (www.tandemfun.de) für das aufregende und schöne Abenteuer! Vielleicht sehn wir uns ja schon bald wieder, wenn einige Kollegen ihre Furcht überwinden und die Fallschirmspringer-Einheit doch noch mehr Zulauf erhält… |